Das Wechselland ist ein Gebiet
nördlich und südlich des Gebirgsmassives Wechsel. Es liegt in Niederösterreich,
der Steiermark und zu einem kleinen Teil auch im Burgenland. Es wird seit
2005/06 wesentlich durch 14 sich zur Region Wechselland bekennende Gemeinden in
Niederösterreich (Aspang-Markt, Aspangberg-St. Peter, Feistritz am Wechsel, Kirchberg
am Wechsel, Mönichkirchen, Otterthal, Raach am Hochgebirge, St. Corona am
Wechsel und Trattenbach) und in der Steiermark (Dechantskirchen, Friedberg, Pinggau,
Sankt Lorenzen am Wechsel, Schäffern) sowie die drei Partnergemeinden Zöbern
(Niederösterreich), Rohrbach an der Lafnitz (Steiermark) und Pinkafeld
(Burgenland) bestimmt. Es hat heute etwa 30.000 Einwohner und nimmt etwa eine
Fläche von mehr als 500 km² ein.
Urgeschichte, Römerzeit, Völkerwanderungszeit und Karolingerzeit
Der Alpenraum und das Wechselland
waren bedingt durch die Eiszeit, die bis etwa 10.000 v.Chr. dauerte, ein
unwirtlicher Raum. Erst sukzessive näherte sich der Mensch den Alpen. In der Jungsteinzeit
(6000-2200 v.Chr.) ist nur die Umgebung (Burgenland, Ungarn, Raum Graz, Donautal)
des Wechsellandes bereits durch Siedlungsfunde gekennzeichnet. In der folgenden
Kupfersteinzeit (3000-1700 v.Chr.) sind in der direkten Umgebung des
Wechsellandes (Raxgebiet, Schwarzatal, Pitten, Schwarzenbach in der Buckligen
Welt, Kulm bei Weiz, Schandorf im Burgenland) Siedlungen sowie teilweise
Kupferabbau belegt. Es gibt auch Einzelfunde der Kupfersteinzeit im
Wechselland. Lediglich in Kranichberg (Gemeinde Kirchberg am Wechsel) – durch
die Nähe zum früh bewohnten Gebiet des Schwarzatales - konnte für die späte
Kupfersteinzeit sowie für die folgende Bronzezeit eine Siedlung nachgewiesen werden.
Nördlich des Wechsellandes, nämlich in Neunkirchen, wurde 2011 eine
kupfersteinzeitliche Leiche (3300 v.Chr.) gefunden. Aus der Bronzezeit (2300-800
v.Chr.) können Funde im Raum Grafendorf und Hochneukirchen/Bernstein auf
Siedlungen nahe dem Wechselland hinweisen. Im Wechselland ist dies bis dato
noch nicht gelungen. In der anschließenden Eisenzeit (800-450 v.Chr.) und der
Keltenzeit (450-15 v.Chr.) dürfte von den in der Umgebung des Wechsellandes
bereits bestehenden bronzezeitlichen Siedlungen eine dichtere Besiedelung des
Wechsellandes erfolgt sein. Das Wechselland dürfte damals noch Teil des
keltischen Königreichs Noricum gewesen sein. Ab 15 v.Chr. kam die keltische
Bevölkerung des Wechsellandes unter römische Herrschaft. Zahlreiche Funde,
Grabsteine, Fibeln und Hügelgräber (Tumuli) belegen eine dichte Besiedelung
zumindest des steirischen Wechsellandes. Das niederösterreichische Wechselland
ist momentan noch fundleer. Durch das Eindringen germanischer Stämme und der
Hunnen ab dem 4. Jahrhundert wurde das Wechselland entvölkert. Erst im 7.
Jahrhundert siedeln Slawen unter der Herrschaft der Awaren in und um das Wechselland,
die einige Flussnamen (Pinka, Feistritz) hinterließen. Mitte des 9.
Jahrhunderts wurde durch das Karolingerreich versucht, den Alpenostrand und das
Wechselland zu kolonisieren. Durch die Einfälle der Ungarn um 900 kann man
dieses heute nur mehr urkundlich nachweisen und ist heute archäologisch nicht
nachvollziehbar.
Besiedelung
Die Lafnitz und die Leitha sowie
eine durch wechselseitiges Einvernehmen gezogene Linie zwischen diesen Flüssen
wurde 1042/43 zur Grenze zu Ungarn, die bis 1918/21 galt und heute im
Wesentlichen die Grenze zum Burgenland ist. Erst nach einem nachhaltigen
Frieden mit den Ungarn 1042/43 wurde das Schwarzatal (Gloggnitz, Neunkirchen),
nördlich des Wechsellandes, besiedelt. Von dort ausgehend wurde das bestenfalls
spärlich von Slawen besiedelte und dicht bewaldete Wechselland entlang der
Wege, darunter der überregional seit der Urgeschichte begangene Hartberg-Pfad, vermutlich
mit Gutshöfen erschlossen. Mit dem Ende des Investiturstreits (1122) erfolgten
ab Mitte des 12. Jahrhunderts eine Kolonisation, Rodung und Besiedelung des
Wechsellandes, der Buckligen Welt und auch der Oststeiermark. Das 1130/40
gegründete und bis etwa um 1300 aktive Johanniter-Hospiz in Spital am Hartberg
entlang des Hartberg-Pfades war eine wichtige Station für Ansiedler, Pilger
sowie auch Kreuzritter. Als Grenzsicherungsanlagen zu Ungarn entstanden Ende
des 12. Jahrhunderts erste Burgen, darunter Kranichberg (um 1150), Thalberg (um
1170), Bärnegg (um 1170), Friedberg (um 1170), Festenburg (um 1180), Feistritz
am Wechsel (Ende 12. Jh.), Thomasberg (um 1192) und Aspang (um 1200). Insgesamt
gab es mehr als zehn Burgen im Wechselland, einige verschwanden oder sind
Ruinen. Dutzende Rittersitze sind nicht mehr erhalten. Die meisten Dörfer sind
ab Mitte des 12. Jahrhundert bis zum Ende der Kolonisationszeit (14./15.
Jahrhundert) entstanden. Auch das bereits in Ungarn gelegene Pinkafeld dürfte
in dieser Zeit gegründet worden sein. Entlang des Hartberg-Pfades entwickelten
sich besondere landesfürstliche Orte, so der Markt Aspang (um 1200) und die
Stadt Friedberg (1194). Ab spätestens dem 14. Jahrhundert waren auch
höhergelegene Regionen, etwas abseits gelegene Täler sowie auch Schwaigen am
Wechsel, bewohnt. Das Wechselland ist eine durch Landwirtschaft und Holzwirtschaft
geprägte Landschaft. Durch den Vertrag von Ofen (1254) sowie spätere
Entwicklungen (13. bis 15. Jahrhundert) wurde eine heute noch gültige Grenze
durch das Wechselland gezogen, die Niederösterreich und die Steiermark trennte.
Religion und Glauben
Erste Pfarren im Wechselland wurden
seit dem 12. Jahrhundert etabliert, darunter Dechantskirchen (1161),
Unter-Aspang (um 1200), Edlitz (1203) und Kirchberg am Wechsel (um 1200). Heute
gibt es im Wechselland mehr etwa 20 Pfarren. Das Stift Reichersberg
(Oberösterreich) prägte den niederösterreichischen Teil des Wechsellandes sowie
die Bucklige Welt, das Stift Vorau (gegründet 1163) das steirische Wechselland.
Die grenznahen Pfarren im Raum Pinkafeld dürften auch Anfang des 13.
Jahrhundert geschaffen worden sein, Pinkafeld lässt sich aber erst 1289
belegen. Der Ort Kirchberg am Wechsel, mit seiner Pfarre (um 1200) und dem
Chorfrauenstift/Kloster (1216), war für das religiöse Leben im Feistritztal
wichtig. In der Mitte des 16. Jahrhunderts wurden die Burgen Thalberg, Aspang,
Bärnegg und Ziegersberg und teilweise die in der Nähe befindlichen Kirchen (Bärnegger
Nikolauskirche) durch ihre Besitzer zu protestantischen Zentren im Wechselland.
Im Gegensatz zu anderen Gebieten Österreichs dürfte der Protestantismus im
Wechselland nur für etwa ein Drittel der Bevölkerung zumindest für einige
Jahrzehnte interessant gewesen sein. Das auf der ungarischen Seite gelegene
Pinkafeld blieb ein Zentrum des Protestantismus und wurde zu einem Fluchtort in
der Zeit der Gegenreformation. Nach dem Toleranzpatent Ende des 18. Jahrhundert
wurden in Pinkafeld protestantische Pfarren gegründet, im steirischen und
niederösterreichischen Wechselland gibt es keine. Nördlich (Gloggnitz) und
südwestlich (Hartberg) des Wechsellandes sind protestantische Pfarren im Laufe
des 20. Jahrhundert entstanden. War das Wechselland aufgrund seiner Wege eine
Durchzugsregion für Pilger, dürften erste Wallfahrtsorte im Laufe des
Mittelalters errichtet worden sein. Seit 1504 ist St. Corona am Wechsel als
Wallfahrtsort bekannt. Die seit 1617 belegbare Wallfahrt nach Pinggau (Maria
Hasel) hat bis heute überregionale Bedeutung. Obwohl es bereits seit dem
16./17. Jahrhunderts im Umfeld von größeren Pfarrorten Schulunterricht gab,
wurden die meisten Dorfschulen im Wechselland erst Anfang des 19. Jahrhunderts
errichtet.
Einfälle, Bedrohungen und Grenzlandschicksal
Bereits seit dem 13. Jahrhundert litt
das Wechselland, als Grenzland zu Ungarn sowie auch als wichtige Durchzugsregion
zwischen Wien und Graz, unter vielen Einfällen. So drangen vermutlich Mongolen
in den 1240er Jahren und Ungarn 1270/71 in das niederösterreichische
Wechselland, später (1418) drangen Ungarn auch in das steirische Wechselland.
Während der Baumkircherfehde (1469-1471) wurde auch das Wechselland in
Mitleidenschaft gezogen. Die Osmanen, die Wien 1529 belagerten, verwüsteten
1529/32 auch das Wechselland. Die Haiducken zogen 1605 durch die Region.
Während des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) gab es zwar im Wechselland keine
Kampfhandlungen, aber der aufständische Ungar Gábor Bethlen (um 1580-1629)
bedrohte in den 1620er Jahren auch das Wechselland. Die Osmanen, die 1683
neuerlich Wien belagerten, drangen in diesem Jahr auch in das
niederösterreichische Wechselland, während die mit ihnen verbündeten Kuruzzen
das steirische Wechselland verwüsteten. Die Kuruzzen erhoben sich später erneut
und drangen 1704/07 neuerlich in das steirische Wechselland. Bei allen
Einfällen wurde die weit sichtbaren Kreidfeuer (Warnfeuer) entzündet. Der
Durchmarsch und Aufenthalt 1805/09 französischer Soldaten unter Kaiser Napoleon
I. (1769-1821) führte zu kleineren Gefechten und verschlechterte die
wirtschaftliche Situation im Wechselland. In den 1820er Jahren trieb der
Räuberhauptmann „Holzknechtseppl“, bürgerlich Nikolaus Schmidhofer (1794-1828),
sein Unwesen. Die Pest wütete 1349/50, 1634/35, 1680/81 und 1713/14 sowie die
Cholera 1830/31 zumindest jeweils in einigen Teilen des Wechsellandes. Die
Einfälle in das Wechselland, der „Holzknechtseppl“, die Pest und die vielen
versunkenen Rittersitze hatten nachhaltigen Einfluss auf die Fülle an Sagen und
Flurdenkmäler im Wechselland.
Gewerbe
Kupfer und später Eisen wurde
bereits während der Urgeschichte zumindest oberflächlich abgebaut. Im Laufe des
Mittelalters, speziell im 16. und 17. Jahrhundert, wurden vor allem im Raum
Trattenbach und Otterthal Eisen und Kupfer abgebaut. Trattenbach war in dieser
Zeit sogar eines der wichtigsten Goldabbaugebiete in Ostösterreich. Zahlreiche
Hammerwerke, mit denen Eisen verarbeitet wurde, sind an vielen Bachläufen des
Wechsellandes spätestens seit dem 15. Jahrhundert dokumentiert, später, ab dem
Ende des 19. Jahrhunderts, folgten Fabriken. Entlang von Bachläufen sind
Fabriken und Produktionsstätten entstandenSeit der Industrialisierung, die im
Wechselland erst Mitte des 19. Jahrhunderts einsetzte, wurden auch Braunkohle
und Anfang des 20. Jahrhunderts Bentonit im Wechselland abgebaut. Das heute einzige
Bergwerk im Wechselland ist der seit 1856 existierende Weißerde-Abbau südlich
von Aspang. Durch den Waldreichtum gab es die Schaueregger Glashütte, die mit
Unterbrechungen von etwa 1700 bis etwa 1854 Glas erzeugte. En
Revolutionen und Zäsuren
Im Zuge der Wirren der
Märzrevolution 1848 zog eine große Anzahl von kaisertreuen Kroaten durch die
Bucklige Welt und das steirische Wechselland. Als Konsequenz der Revolution
wurden Bezirkshauptmannschaften und politische Gemeinden 1849/50 gegründet.
Durch Gemeindereformen kamen Anfang des 20. Jahrhunderts einige Gemeinden
hinzu, während viele Gemeinden des Wechsellandes Ende des 20. und Anfang des
21. Jahrhunderts aufgelöst wurden. Durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs
(1914-1918) starb jeder fünfte eingezogene Soldat des Wechsellandes auf den drei
Schauplätzen (Balkan, Italien, Ostfront). In der Zwischenkriegszeit erstarkte
auch im Wechselland der Nationalsozialismus. Durch den „Anschluss“ Österreichs
(1938) wurden Familien mit jüdischem Hintergrund, Behinderte und psychisch
Kranke sowie die im angrenzenden Burgenland lebenden Roma aus dem Wechselland in
Konzentrationslager deportiert, wo sie in den meisten Fällen getötet wurden. Am
Bahnhof Mönichkirchen bzw. im „Großen Hartbergtunnel“ hielt sich der Diktator
Adolf Hitler (1889-1945) im April 1941 für zwei Wochen auf. Im selben Tunnel
befand sich auch das größte Zwangsarbeiterlager (1943-1945) im Wechselland.
Jeder dritte einberufene Soldaten, der aus dem Wechselland zur Wehrmacht (Heer,
Luftwaffe oder Marine), zur Schutzstaffel (SS) oder anderen militärischen
Organisationen eingezogen wurde, fiel oder starb kriegsbedingt durch Krankheit
oder in Gefangenschaft. Im April/Mai 1945 wurden der hochgelegene Wechsel und
angrenzende Täler zum Schauplatz heftiger Kämpfe. Noch heute zeugen erhaltene
Gräben und die zahlreichen Soldatengräber von den Kämpfen am Wechsel. Das
Wechselland wurde nach Kriegsende von den Besatzungsmächten geteilt. Das
steirische Wechselland gehörte zur britischen Besatzungszone, das
niederösterreichische Wechselland und Burgenland kam zur sowjetischen
Besatzungszone. Strenge Grenzkontrollen in den Jahren 1945 bis 1953 prägten das
Wechselland.
Infrastruktur
Waren die Wege zwar oft mit Maut
belegt, sind erst im Laufe des 19. Jahrhundert ebene Straßen entstanden. Die
wichtige und namensgebende „Wechselstraße“ zwischen Aspang und Friedberg über
den neuen Wechselpass bei Mönichkirchen wurde erst 1826 gebaut. Der Tauchen-Weg
über den alten Wechselpass (Amtswiese), der seit dem 13. Jahrhundert
existierte, hatte ausgedient. Die meisten heutigen Straßen, die die
Gemeindehauptorte verbinden, wurden im Laufe des 19. Jahrhunderts gebaut.
Einige Orte wurden erst Anfang oder Mitte des 20. Jahrhunderts mit einer Straße
erreicht. Durch den Bau der Wechselbundesstraße B54 in den 1970ern und der
A2-Südautobahn (1983-85) war das Wechselland verkehrstechnisch gut mit Wien und
Graz verbunden. Mit der Aspang-Bahn (1881) wurde das Wechselland für die Wiener
Gesellschaft leicht erreichbar. Der Bau der Wechselbahn (1910) und der
Pinkatalbahn (1925) machten das Wechselland zu einem wichtigen Knotenpunkt. Die
für die Glasproduktion im und um das Wechselland vorhandenen Glashütten
benötigten vielfach Holzkohle, die spätestens seit dem Mittelalter am
waldreichen Wechsel hergestellt wurde. Bereits 1893 wurde Strom im Wechselland
erzeugt. Es folgte in den 1910er Jahren die Errichtung größerer Kraftwerke, die
wichtigsten Hauptorte waren Anfang der 1930er Jahre mit Strom versorgt. Erst in
den späten 1960er Jahren war das gesamte Wechselland an ein öffentliches
Stromnetz angeschlossen.
Autoren:
Dr. Andreas Salmhofer & Mag.
Kerstin Kogler
Historischer Verein Wechselland /
www.geschichte-wechselland.at